Berufliche Perspektiven
Die Frage nach den beruflichen Perspektiven, die ein Philosophie-Studium bietet, kennt vermutlich jede Philosophiestudentin und jeder Philosophiestudent nur zu gut. Die Antwort darauf fällt vermutlich denjenigen, die eine wissenschaftliche Karriere planen, leichter als denjenigen, die planen die Universität nach dem Studium zu verlassen. Denn, das soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, zutreffend ist sicherlich, dass es wenige Stellen ausserhalb der Universität gibt, die sich explizit und ausschliesslich an Philosophinnen und Philosophen richten.
Ein Studium der Philosophie bereitet nicht nur Freude, sondern man lernt auch viel. Ein Grossteil der erworbenen Fähigkeiten ist später im Berufsleben sehr gut einsetzbar. Dabei stehen die methodischen Kompetenzen, die Philosophiestudierende während des Studiums erwerben, meist stärker als das Fachwissen im Vordergrund. Methodische Kenntnisse müssen erlernt und wiederholt geschult werden, um sie sicher zu beherrschen, weshalb in Bern während des gesamten Studiums grosser Wert auf qualifizierte Rückmeldungen und Betreuung vonseiten der Dozierenden gelegt wird.
Philosophinnen und Philosophen zeichnen sich durch das Beherrschen methodischer Kompetenzen wie analytischem Denken, Argumentieren, Schreiben und Präsentieren aus. Diese methodischen Qualifikationen sind für eine Vielzahl von Berufen unabdingbar, insbesondere für Berufe in den Bereichen Journalismus, Politik, Wirtschaft, Verlagswesen, Verwaltung und in kulturellen Organisationen. Darüber hinaus bieten sich Möglichkeiten im Bereich der Gymnasial- und Erwachsenenbildung sowie selbstverständlich auch in Forschung und Lehre an der Universität. Absolventinnen und Absolventen des Philosophischen Institutes in Bern finden sich heute beispielsweise in leitender Stellung im Fraunhofer Institut für Autonome Intelligente Systeme, im Wissenschaftsmanagement oder in Gremien zur Technikbewertung. Tätig sind ehemalige Studierende des Philosophischen Institutes darüber hinaus bei der UNO, in Nichtregierungsorganisationen im In- und Ausland, als Redakteure, in Think Tanks und beim Bund. Ein berühmtes Beispiel für eine Philosophen-Karriere bietet Norbert Blüm, ehemaliger Arbeitsminister der Bundesrepublik Deutschland. Und schliesslich waren fast alle bisherigen Premierminister des United Kingdom Absolventen des Oxforder Studiengangs "PPE", der für das Berner PEP-Programm als Vorbild dient.
Wichtig bei der Stellensuche ist es sicherlich die erworbenen Kompetenzen auch gegenüber potenziellen Arbeitgebern hervorzuheben, da, wie die eingangs erwähnte Frage veranschaulicht, nicht alle gleichermassen mit den Inhalten eines Philosophiestudiums vertraut sind. Hilfreich ist es ein wenig Geduld bei der Stellensuche mitzubringen und, sofern vorhanden, studienbegleitende Tätigkeiten ebenfalls nicht unerwähnt zu lassen.
Nach dem Studium weiterhin philosophisch tätig zu sein ist auch ausserhalb der Universität möglich. Ethisches Know-how ist beispielsweise in den letzten Jahren nachweislich begehrter geworden, da bei der Forschung am Menschen der Ethik von Rechts wegen eine entscheidende Rolle zu kommt: So müssen kantonale Ethikkommissionen, in denen zwar nur wenige Profi-Ethiker einsitzen, einschlägige Studien bewilligen, was gemäss Jean-Daniel Strub «seit langem Standard» ist. Im ausserhumanen Bereich sind ethische Fragen eher neueren Datums und an eine schwankende Nachfrage gekoppelt. So bilden Unternehmen erst seit Kurzem eigene Abteilungen, welche die Social Responsibility der Firma im Auge behalten. Auf dem freien Markt entstehen philosophische Praxen für das alltägliche, individuelle Streben nach Erkenntnis und Moral; daneben bieten Beratungsfirmen zunehmend Dienste für Firmen und Behörden an, die ihr Wirken auch nach ethischen Kriterien ausrichten wollen, beispielsweise unter dem Aspekt der Good Governance.
Quelle: "Ein offenes Ohr für Zweitmeinungen haben", NZZ am Sonntag, 22.04.2012.